Familienleben

Der Familienlandsitz: Lebensraum und Lebenstraum

familie im garten
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Ein freies, unabhängiges Leben abseits der Hektik des Alltags zu führen, sich selbst zu versorgen und in Einklang mit der Natur zu leben: Diese Grundideen stecken hinter dem Konzept des Familienlandsitzes. Unter einem Familienlandsitz versteht man ein Stück Land mit einer Fläche von einem Hektar, das von einer einzigen Familie bewohnt und bebaut wird.

Familienlandsitze entstehen in der Regel in unmittelbarer Nähe zueinander und schließen sich zu sogenannten Landsitz-Siedlungen zusammen. Allerdings handelt es sich hier weder um Ökodörfer noch um größere Gemeinschaften, denn der Fokus liegt eindeutig auf der Familie mit ihrem individuellen Landsitz. In diesem Beitrag geht es um die Entstehung und die Hintergründe ebenso wie die Vor- und Nachteile eines Familienlandsitzes.

Woher stammt das Konzept des Familienlandsitzes?

Eigentlich handelt es sich beim Familienlandsitz keineswegs um etwas Neues. Familien, die als Selbstversorger abgeschieden auf dem Land leben, hat es schon immer und überall gegeben. Im Zuge der Industrialisierung hat sich ihre Anzahl jedoch drastisch verringert. In dem Maße, wie die Bevölkerung der Großstädte wächst, wächst auch der Wunsch nach einem Ausgleich zum Stadtleben und einem Ausbruch aus den Zwängen des Arbeitsalltags.

familienlandsitz
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Die Idee des Familiensitzes, wie wir ihn heute kennen, entstammt der beliebten Buchreihe „Die klingenden Zedern Russlands“ des russischen Schriftstellers Wladimir Megre. In seinem Opus magnum schildert Megre seine Vorstellungen einer idealen Welt, in der sich der Mensch von den Errungenschaften der modernen Welt lossagt. Die zehnbändige Buchreihe erschien in den Jahren 1996 bis 2010 und wurde in 20 Sprachen – unter anderem auch ins Deutsche – übersetzt.

In Megres Büchern geht es um die Hauptfigur Anastasia, die allein in der Taiga lebt. Sie hat sich das Wissen der alten Hochkultur der Wedrussen bewahrt. Durch den Bericht des Ich-Erzählers, der Anastasia auf einer Reise durch Sibirien kennenlernt, erfahren die Leser Genaueres zu deren Ideengebilde. Das Hauptthema der Buchreihe ist das Leben im Einklang mit der Natur. Als Ideal rückt der Familiensitz in den Fokus: Auf einem Hektar Land soll je eine Familie leben. Betont wird die Unabhängigkeit, die sich aus einer solchen Lebensweise ergibt.

Familienlandsitz: Die Hippie-Kommune des 21. Jahrhunderts?

Kommunen, Ökodörfer, WGs, Meditationszentren, Hausbesetzungen: Im Kielwasser der 68er-Bewegung haben sich verschiedene Formen des kollektiven Lebens herausgebildet. Vielen haftet eine bestimmte politische Gesinnung an, die die Basis für das Zusammenleben einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Menschen dient. Es ist also durchaus verständlich, dass Landsitz-Siedlungen oftmals im selben Atemzug genannt werden.

Allerdings ist dies eine Fehleinschätzung: Im Gegensatz zu solchen Kommunen oder Ökodörfern, in denen die ganze größere Gemeinschaft eine Rolle spielt, geht es beim Familienlandsitz hingegen darum, im engsten Familienkreis zu leben. Obwohl ein Austausch zwischen den Familienlandsitzen stattfinden kann, besteht kein engerer Kontakt zwischen den einzelnen Familien. Somit unterscheidet sich das Konzept des Familienlandsitzes grundsätzlich von demjenigen der Kommune.

landsitz für familien
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Die Gestaltung des Familienlandsitzes

Der Familienlandsitz nimmt einen Hektar ein. Ein lebender Zaun bzw. eine Hecke dient als Umfriedung, wobei auch ein Ringwall zur Abgrenzung des Grundstücks geeignet ist. 50 bis 75 % des Grundstücks sollen Wald sein, den Rest soll ein Gemüsegarten mit einem Teich einnehmen. An die 300 Gemüse- und Obstpflanzen sollen hier wachsen, darunter Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Gurken, Tomaten, Erdbeeren, Äpfel und Kirschen. Außerdem soll jede Familie Bienen, Hühner und Ziegen halten. Das Ziel ist, autark zu leben und sich selbst versorgen zu können.

Vor- und Nachteile

Vielen Menschen erscheint die Idee eines Familienlandsitzes als Verwirklichung ihres langjährigen Traums. Sie erhoffen sich auf diese Weise einen Ausstieg aus dem Hamsterrad. In der Tat trifft dies in vielen Fällen auch zu. Vor allem Familien mit Kindern profitieren von der Nähe zur Natur und der Freiheit, die das Leben auf dem Familienlandsitz bei der persönlichen Entfaltung bietet. Auch das Konzept der Autarkie ist für viele Siedler attraktiv. Zur Unabhängigkeit gesellt sich die Zufriedenheit, etwas mit den eigenen Händen vollbracht zu haben.

Zu den ausgesprochenen Vorteilen eines Familienlandsitzes gehören sämtliche Punkte, die sich aus dem Leben in ländlichen Gebieten ergeben: frische Luft, gesunde Lebensmittel, niedrige Lärmbelastung. Kinder können nach Herzenslust herumtoben und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Auch sind sie nicht den Gefahren ausgesetzt, die in Großstädten lauern. Auch für Erwachsene hat das Leben im Einklang mit der Natur zahlreiche Vorteile. Man kann mit weniger auskommen und muss den Anforderungen des modernen Lebens nicht mehr bedingungslos nachkommen.

grundstück für familienlandsitz
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Allerdings können diese Vorteile schnell in Nachteile umschlagen. So faszinierend und vielversprechend es sich anfänglich auch anhören mag, so umständlich und problematisch kann sich das Losgelöstsein vom Rest der Gesellschaft letztendlich erweisen. Gerade für Großstadtbewohner, die sich von einem Umzug auf einen Familienlandsitz ein stressfreies Leben erwarten, können sich durch die vielen neuen Herausforderungen überwältigt fühlen. Plötzlich macht die Gartenarbeit nicht mehr ganz so viel Spaß, und auch die Entfernung von Geschäften und anderen Annehmlichkeiten wird als lästig empfunden. Hinzu kommt, dass man trotzdem Geld verdienen muss.

Manche Siedler ziehen sich aus der Affäre, indem sie selbst hergestellte Lebensmittel oder andere Waren verkaufen. Doch diese Rechnung geht nicht immer auf. Deshalb behalten viele Siedler ihre alte Arbeitsstelle bei. Da sie nun weiter entfernt wohnen, müssen sie längere Pendelzeiten in Kauf nehmen. Spätestens bei der Einschulung sehen sich Kinder mit den ersten Schwierigkeiten konfrontiert. Der Schulweg ist lang, Hobbys können nicht ohne sorgfältige Planung ausgeübt werden. Außerdem kann es schwer sein, den Kontakt zu Gleichaltrigen aufrechtzuerhalten, wenn sich das eigene Umfeld so sehr unterscheidet.

Fazit

Das Leben auf einem Familienlandsitz stellt eine gesunde und entspannte Alternative zum Leben in der Groß- oder Kleinstadt dar. Für viele Menschen erfüllt sich auf diese Weise ihr Traum von der Rückkehr zu einer ursprünglichen und naturnahen Lebensweise. Doch muss man vorher die Vor- und Nachteile abwägen und sich gut überlegen, ob man den Herausforderungen eines solchen Lebens überhaupt gewachsen ist. Während ein Familienlandsitz für Familien mit kleinen Kindern eine ausgezeichnete Wahl sein kann, auf Familien mit älteren Kindern trifft dies nicht unbedingt zu. Auf jeden Fall sollte man die eigene Situation gründlich analysieren, bevor man sich für ein Leben auf dem Familienlandsitz entscheidet.

Zitat des Monats

„Alle Kinder haben die märchenhafte Kraft, sich in alles zu verwandeln, was auch immer sie sich wünschen.”

Jean Cocteau
(französischer Schriftsteller, 1889 – 1963)